Menschenkinder

Kinderbücher sind für mich eine großartige Möglichkeit, dem Kind in mir eine Stimme zu geben mit all seiner Unbefangenheit, seinem Entdeckergeist und seinem staunenden Blick auf die Welt. Die Zusammenarbeit mit Illustrator*innen ist immer ein sehr spannender Prozess und ich bin jedes Mal baff, wie sie die Charaktere meiner Geschichten zum Leben erwecken. Lesungen vor Kindern sind etwas Besonderes, es gibt kein aufmerksameres, ehrlicheres und begeisterungsfähigeres Publikum.

Pommes im Urwald Der Hase Pommes ist nicht gerade der Tapferste, Stärkste oder Schnellste, aber im Geschichtenerfinden ist er unschlagbar. Eines Tages erzählt er seinen Freuden ein so aufregendes und packendes Abenteuer, dass er sich plötzlich in seiner eigenen Geschichte wiederfindet – mitten im Dschungel. Aber mit seinen gewitzten, fantasievollen und kreativen Ideen gelingt es ihm, die großen Tiere des Urwalds zu überlisten. Eine vergnügliches Bilderbuch, das zum Mit- und Nachmachen einlädt, ausdrucksstark illustriert von Inga Maria Blinde.

» Die witzige Urwaldgeschichte bietet einen liebenswerten Helden, allerhand tierisch vergnügliche Verwicklungen und jede Menge Ideen für eigene Geschichten, Sprachspielereien und Erzählanlässe. « (Leseempfehlung der Stiftung Lesen)

Pommes im Urwald ist auch als Hörbuch beim Headroom-Verlag erschienen.

Mozart fliegt Mozart träumt davon, fliegen zu können. Er ist mit Wolke befreundet und Wolke kann fliegen. Wie gerne würde er mit ihr durch die Lüfte schweben. Aber Mozart ist ein Schwein, und Schweine können nun mal nicht fliegen. Doch eines Tages nimmt Mozart all seinen Mut zusammen und will es probieren. Mit Wolkes Hilfe schafft er es tatsächlich, seinen Traum wahr zu machen. Auf seine ganz eigene Art und Weise … Mit Illustrationen von Inga Maria Blinde.

Paula und die Wortschätzchen Paula hat ein Problem. Sie soll in den Ferien zu ihrer Oma. Aber nicht zu der geliebten großen Oma, mit der sich Paula bestens versteht, sondern zu der kleinen Oma, die allein in einem sehr kleinen, sehr ordentlichen Häuschen lebt. Damit könnte sich Paula ja noch arrangieren. Aber dass die kleine Oma nichts für Paulas große Leidenschaft, das Lesen, übrighat, das geht zu weit. Immerhin lässt sich die kleine Oma überreden, Paula zum Einschlafen eine Seite aus ihrem Buch vorzulesen. Das ist der Beginn einer wundersamen Entwicklung, an deren Ende nicht nur die Bücherstapel im Haus der kleinen Oma deutlich gewachsen sind, sondern auch die Herzensnähe zwischen Paula und der kleinen Oma. Ein Buch über den Zauber des Lesens, den Mut zur Veränderung und die Verbindung von Generationen, liebevoll und charmant illustriert von Dorothée Böhlke.

War ich nicht! Wer hat Papas Pfannekuchen geklaut? Das ist die Frage, die uns in diesem Buch um den halben Erdball führt. Und jeder der Verdächtigen schiebt es auf den anderen. Die Geschichte lädt zum Mitraten ein und die eigenwilligen, in keine Schublade passenden Illustrationen von Dorota Wünsch setzen der Fantasie und den schrägen Ideen, wer denn der Pfannekuchendieb sein könnte und wo er sich versteckt hat, keine Grenzen. Die Auflösung ist denkbar einfach, Papa macht einfach neue Pfannekuchen, denn Reisen, Raten und Reimen machen natürlich hungrig.  

Sei frech und wild und wunderbar Pia Piepenbrink zeigt in diesem Bilderbuch in ihrer frechen und gewitzten Art verblüffend einfache Möglichkeiten, auch die langweiligeste Momente des Tages in ein Abenteuer zu verwandeln. Birte Cordes hat diesem anarchistischen Charakter mit ihren Illustrationen ein Gesicht gegeben und hat Pias pfiffige Patentrezepte für supergute Tage wunderbar in Szene gesetzt. Die Dynamik der Geschichte wird durch die wechselnde Leserichtung und die sowohl quer- als auch hochformatige Bildgestaltung auf unnachahmliche Weise unterstützt.

Jetzt reichts!  In diesem Bilderbuch bekommen große und kleine Leser amüsante und unkonventionelle Tipps von Pia Piepenbrink, wie man am besten mit schwierigen Eltern umgeht. Und da letzten Endes alle Eltern mal ihre schwierigen Phasen haben, ist dieses von BIrte Cordes urkomisch und liebevoll illustrierte Buch ein unverzichtbarer Ratgeber, sowohl für strapazierte Kinder ab fünf Jahren als auch für besserungswillige Eltern jeden Alters.

Luigi und Paul – allerbeste Freunde Luigi lebt auf einem Bauernhof in Italien. Versteckt in einer Kiste mit Kirschen reist er eines Tages in ein fernes und fremdes Land. Dort ist alles anders als zu Hause. Es riecht anders, die Menschen sprechen eine andere Sprache und es ist ziemlich kalt. Luigi bittet Paul um Hilfe, aber auch der ist anfangs nicht sehr freundlich zu ihm. Das ändert sich erst, als die beiden ein gefährliches Abenteuer bestehen müssen. Mit Illustrationen von Inga Maria Blinde. 

Müde? Ich?  Diese gereimte Gute-Nacht-Geschichte nimmt die Leser mit auf eine abenteuerliche Reise zwischen Traum und Wirklichkeit, mal zauberhaft, mal witzig, aber immer voller überraschender Wendungen. Christiane Pieper erschafft mit ihren Illustrationen ein Kaleidoskop liebenswerter Geschöpfe, die uns durch eine bunte, magische und wundersame Fantasiewelt begleiten. Wer dieses Abenteuer bestanden hat, kann ganz bestimmt glücklich in den Schlaf sinken und angenehm träumen. Ein Vorlesebuch, nicht nur zum Einschlafen.

» Traumwandlerisch sicher gereimt, mit trubeligen Bildern und herrlich skurrilen Wesen verzaubert das kleine Nachtmärchen nicht nur Kinder ab ca. 4 Jahren, die – eigentlich – noch nicht ins Bett wollen« (Leseempfehlung der Stiftung Lesen) 

Pommes im Weltall  Nach dem großen Erfolg von Pommes im Urwald erleben die drei Freunde um den Geschichten erzählenden Hasen nun neue Abenteuer. Dieses Mal bauen Pommes, Flitzer und Wolke ein Raumschiff – aus einer alten Fritteuse! Auf wundersame Weise gelangen die drei damit tatsächlich ins Weltall. Bei einer Pinkelpause auf dem Planeten Floramax werden sie beinahe von Riesenblumen gefressen. Und sie treffen auf Außerirdische mit einem großen Problem. Zum Glück haben Pommes, Flitzer und Wolke an Bord ihres Raumschiffs die Lösung für dieses Problem …

Das Buch befindet sich noch im Entstehungsprozess, wir bitten die Fans von Pommes noch um etwas Geduld! 

Funkelfell

Inhalt Funkelfell  Die elfjährige Lou ist anders als andere Mädchen: Sie ist Kopfballspezialistin in einer Jungenmannschaft, hat sich die Haare auf einer Seite raspelkurz rasiert und fürchtet sich vor gar nichts. Seit ihre Mutter ausgezogen ist, träumt Lou davon, einen Hund zu haben. Als dem schweigsamen Herrn Ohlsen von nebenan ein Hund zuläuft, staunt Lou nicht schlecht: Immer, wenn der Hund sich schüttelt, fliegen tausende Funken aus seinem Fell. Und jeder, der davon getroffen wird, fühlt sich stark und leicht und traut sich alles zu. Eines Tages belauscht Lou im Hof zwei seltsame Männer, die nach dem funkensprühenden Hund suchen. Sie wollen ihn zur großen Attraktion in ihrem Hundezirkus machen. Doch so wie sie reden, scheinen sie nicht gerade zimperlich mit ihren Hunden umzugehen. Lou und Herr Ohlsen beschließen, Funkelfell vor ihnen zu verstecken. Aber das ist gefährlich, denn die Zirkusmänner schrecken vor nichts zurück, um den Hund in ihre Gewalt zu bekommen. Und so bittet Lou Tom und Kiwi aus der Fußballmannschaft, ihr bei diesem Abenteuer zur Seite zu stehen. Richtig brenzlig wird es, als die Männer Lou und ihre Freunde durch die halbe Stadt jagen, um ihnen Funkelfell abzuknöpfen.

Funkelfell ist eine spannende Geschichte für Kinder ab 9, mit liebenswerten Charakteren, die einem schnell ans Herz wachsen, warmherzig und mit viel Witz und Tempo erzählt. Im Zentrum steht Lou, ein starkes Mädchen, das die Trennung der Eltern und den Auszug ihrer Mutter verkraften muss. Es geht um Freundschaft, um Fußball, es geht um den Schmerz über eine zerbrochenen Familie und um die Sehnsucht, gemocht zu werden, es geht um die Frage, wie man es schaffen kann, an sich zu glauben, wenn das Leben gerade mies ist und es geht um die Liebe zu einem Hund.

Das Manuskript zu Funkelfell ist abgeschlossen, das Buch ist (noch) unveröffentlicht.

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Funkelfell

1. Böses Erwachen

Diese ganze verrückte Geschichte fing damit an, dass ich im Hof jemanden fluchen hörte. Ich lag in meinem Bett und träumte von einem Hund, der über eine Wiese rannte. Sein hellbraunes Fell wehte im Wind, die Schlappohren flogen auf und nieder. Neben dem Hund lief ein Mädchen mit einem weißen Kleid und schwarzen Schnürstiefeln. Seine wilden Locken hatte es sich auf der einen Seite stoppelkurz rasiert. Dieses Mädchen, das war ich. Und der Hund, das war meiner.

Mitten in diesem perfekten Traum legte draußen vor meinem Fenster dieser Idiot los. Ich war sofort hellwach. Er hatte eine raue Stimme und doch klang sie seltsam hoch. Etwas Eiskaltes lag darin, etwas, dass mir eine Gänsehaut machte:

„Der blöde Köter kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.“

Die Worte wehten zu mir herein und strichen über mein Gesicht wie ein kalter Hauch. Es klang, als ob der Mann nur ein paar Schritte von meinem Fenster entfernt im Hof stehen würde. Wegen der Hitze der letzten Tage war das Fenster weit geöffnet, nur die Vorhänge hatte ich zugezogen. Ich machte keinen Mucks und lauschte gespannt.

Draußen näherten sich die schweren Schritte einer weiteren Person. „Ich versteh das nicht“, brummte ein anderer Mann. Er klang wie ein beleidigtes Walross. „Wir haben das Miststück doch eben noch gesehen.“

Der erste antwortete schroff: „Jetzt hör auf zu flennen und such lieber weiter. Guck mal da, die Kellertreppe.“

Ich hörte Schritte auf der Treppe, die Kellertür quietschte, dann wurde es still.

Wer waren diese Kerle? Warum suchten sie hier nach einem Hund? Ausgerechnet bei uns im Hinterhof? Hier hatte es doch noch nie einen Hund gegeben – leider. Ich wünschte mir schon lange einen Hund. So einen wie in meinem Traum: ein karamellfarbenes Fellbündel, das an mir hochsprang und versuchte, mir das Gesicht abzuschlecken. Einen schlappohriger Wirbelwind mit wuscheligem Fell.

Angefangen hatte es mit meinem Hundewunsch, als die Streitereien zwischen meinen Eltern losgingen. Paps fand, dass Ma zu viel arbeitete. Ständig war sie in anderen Ländern unterwegs, um Fotos von allen möglichen Krisengebieten zu machen. Natürlich hatten Paps und ich Angst, wenn sie für ihre Zeitung Waldbrände, Erdbeben und Aufstände fotografierte. Aber Ma sagte immer: Als Fotojournalistin muss ich nun mal viel reisen, und manchmal ist es eben auch ein bisschen gefährlich. Meine Eltern haben sich oft gestritten deswegen, und mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Eines Abends lag ich in meinem Bett und hörte, wie sie sich fürchterlich anbrüllten. Am Ende knallten Türen, dann wurde es still. Danach herrschte tagelang dicke Luft bei uns. Und einen Monat später zog Ma in eine kleine Wohnung in der Stadt.

Ich war total fertig gewesen damals. Ma fehlte mir. Nach ihrem Auszug säbelte ich mir auf der linken Seite meine dunklen Locken ab, bis nur noch kurze Stoppeln übrig waren. Auf der anderen Seite ließ ich sie schulterlang. In der Schule konnte ich mich nicht konzentrieren, mein Gehirn war eine einzige dunkle Wolke. Dreimal in der Woche rannte ich zum Fußballplatz und trainierte, bis mir schlecht wurde.

Tom und Kiwi, meine Kumpels aus der Mannschaft, gaben alles, um mich aufzuheitern, und Paps kümmerte sich um mich, als hätte ich Keuchhusten und ein gebrochenes Bein gleichzeitig. Aber das half alles nicht viel.

Das Einzige, was wirklich geholfen hätte, wäre ein Hund gewesen. Doch es ging nicht. Wegen der Wohnung. Haustiere nicht erlaubt!, stand im Mietvertrag. Trotzdem ließ ich keine Gelegenheit aus, Paps mit meinem Wunsch in den Ohren zu liegen. Zu Weihnachten zum Beispiel. Oder zu meinem elften Geburtstag. Paps schaute dann immer ganz zerknirscht und sagte so etwas wie: „Lou, du weißt doch, dass es nicht geht.“

Vor meinem Fenster waren nun wieder Schritte zu hören, sie stapften die Kellertreppe rauf. Die hohe Stimme schimpfte: „Ich sag dir, der Köter versteckt sich hier irgendwo auf diesem Hof. Wir müssen noch mal jeden verdammten Winkel absuchen, na los.“

„Ich hab einen Mordshunger, Mann“, nörgelte der Kerl mit der Walrossstimme. „Können wir nicht mal Pause –?“

„Wir suchen, bis wir ihn gefunden haben, basta!“, schnitt ihm der andere das Wort ab. „Es ist ja nicht irgendein Hund. Du hast doch gesehen, was dieser Köter kann. Das ist der Hammer. Ich hab keine Ahnung, wie er das macht, aber wenn ich den Kläffer dazu kriege, diese Nummer vor dem Publikum abzuziehen, dann werden alle sagen: Wow, das gibt’s doch nicht! Er wird der Star unserer Show, das garantier ich dir. Glaub mir, der Hund macht uns reich.“

Ich lag ganz still in meinem Bett und fragte mich, was das alles zu bedeuten hatte. Wörter sausten durch mein Gehirn wie verrückt gewordene Wagen einer Achterbahn: Miststück, Publikum, Star unserer Show … Es musste ein ganz besonderer Hund sein, nach dem diese Männer da suchten. Die beiden Kerle dagegen kamen mir vor wie zwei ziemliche Vollpfosten. Kein Wunder, dass ihnen der Hund abgehauen war. Bestimmt hatten sie ihn mies behandelt. Vielleicht hatten sie ihn sogar geschlagen.

Ich wartete gespannt, aber es war nichts mehr zu hören. Waren die Kerle weg? Ich beobachtete die Lichtflecken, die auf meinen Vorhängen tanzten und lauschte.

Es war ein sonniger Morgen, drei Tage vor unserem großen Spiel. Am Fußende meines Bettes schauten die blauen Fußballschuhe unter meiner Decke hervor. Ich hatte in den Schuhen geschlafen. Tom, Kiwi und ich machten das bei allen wichtigen Spielen. Und bei Pokalspielen fingen wir sogar schon drei Tage vorher damit an. Es sollte uns Glück bringen. Und Glück konnten wir verdammt gut gebrauchen, wenn es am Samstag um den Kreispokal ging. Unsere Gegner waren nämlich die brutalen Brotgehirne aus Wulfhausen. Seit wir wussten, dass wir gegen Wulfhausen antreten mussten, trainierten wir wie die Irren. Die Taktik unserer Mannschaft basierte darauf, dass der Gegner mich als einziges Mädchen unserer Mannschaft unterschätzte – wie so oft. Ich sollte versuchen, bis vors Tor durchzukommen und dann sollte ich Toms Flanke mit dem Kopf reinmachen. Kopfbälle waren mein Spezialgebiet. Kein Wunder, bei meiner Größe.

Das Bellen meines Weckers ließ mich zusammenzucken. So ein Mist, ausgerechnet jetzt. Zum ersten Mal verfluchte ich meinen schönen Hundewecker. Das Ding war ein ziemliches Ungetüm, sein Bellen war mörderlaut und klang verdammt echt. Schnell drückte ich auf den Knopf zwischen den Schlappohren des Bernhardiners und er verstummte.

„Hast du das gehört?“, brummte die Walrossstimme. „Ich glaube, das kam aus dem Fenster da.“ Mist, die Männer waren noch da. Ihre Schritte kamen jetzt wieder näher.

„Sieh mal einer an.“ Das war hohe Stimme. „Ist unser Goldstück etwa durch das offene Fenster gesprungen? Na los, hilf mir mal da hoch.“ Ein Ächzen war zu hören. Dann tauchte eine Hand zwischen meinen Vorhängen auf. Sie war groß und behaart und tastete auf meiner Fensterbank herum. Einer meiner Kakteen ging klirrend zu Boden. Schnell zog ich mir die Decke über den Kopf und hielt die Luft an.

2. Herr Ohlsen steht auf

Zur selben Zeit, als Lou sich unter der Bettdecke versteckte, klingelte auch in der Nachbarwohnung ein Wecker. Es war der Wecker von Herrn Ohlsen. Herr Ohlsen schlug die Augen auf und drehte den Kopf nach rechts.

„Guten Morgen, Charlotte“, sagte er zu der leeren Betthälfte neben sich und seufzte. Auch nach einem ganzen Jahr hatte er sich noch nicht an diese Leere gewöhnt.

Herr Ohlsen tastete auf dem Nachttisch nach seiner Brille und schob sie sich auf die Nase.

„Na, dann wollen wir mal.“ Entschlossen schlug er seine Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in den Morgenmantel. Er zog die Vorhänge auf und öffnete das Fenster. Zwischen den Wäschestangen sah er einen rotgelben Fußball. Das war der Ball von Lou Martens, dem Mädchen von nebenan. Herr Ohlsen mochte Lou nicht besonders. Dauernd bolzte sie mit zwei Jungs auf dem Hof und fluchte dabei wie ein Bauarbeiter. Kein Wunder, bei der Familie. Die Mutter war schon immer selten zu Hause gewesen und irgendwann war sie dann ganz ausgezogen. Der Vater war überfordert mit der Göre, das war offensichtlich. Und dann dieser fürchterliche Haarschnitt und die klobigen Stiefel, in denen das Mädchen herumschlurfte.

Es wird Zeit, ermahnte sich Herr Ohlsen. Er schloss das Fenster, setzte Teewasser auf, schlüpfte in seine Anzughose und zog das Hemd an. Um Viertel vor sieben nahm er am Küchentisch Platz und machte sich zwei Scheiben Knäckebrot, eine mit Mettwurst und eine mit Quittenmarmelade. Nach dem Frühstück verstaute er zwei Wurstbrote, einen Apfel und ein hart gekochtes Ei in seiner Aktentasche. Kurz darauf knöpfte er den schwarzen Sommermantel zu, setzte sich den schwarzen Hut auf den Kopf und griff sich zu guter Letzt seinen schwarzen Schirm. Schließlich konnte man nie wissen. Nun blieben ihm noch fünfzehn Minuten bis zum Arbeitsbeginn. Der Fußweg zum Büro dauerte für gewöhnlich fünf Minuten. So hatte er zehn Minuten Reservezeit. Für alle Fälle. Herr Ohlsen öffnete die Wohnungstür und trat mit seiner Aktentasche unter dem Arm in den Flur hinaus.

Das heißt: Er wollte hinaustreten. Aber das ging nicht.

Vor seiner Tür saß ein Hund.

3. Lou in Not

Mir wurde heiß unter der Bettdecke. Vor lauter Aufregung kaute ich am Ohr meines Stoffhundes. Waren die beiden Kerle schon in meinem Zimmer? Was würden sie mit mir machen, wenn sie mich fanden? Sollte ich aus dem Bett springen und versuchen, die Tür zu erreichen? Nein, dafür war es zu spät. Ich saß in der Falle.

Paps!, rief ich in Gedanken, Rette mich!

Ein angestrengtes Ächzen drang bis zu mir unter die Bettdecke. „Na los“, schimpfte die hohe Stimme, „heb mich mal ein bisschen höher.“ Es schepperte, vermutlich waren noch mehr Kakteen abgestürzt. Gleich würde der Kerl im Zimmer stehen!

Doch bevor es dazu kam, rettete Paps mich tatsächlich.

„Louhuu!“ rief er aus der Küche. „Aufstehen!“

Der Mann fluchte: „Mist, da kommt jemand. Los, lass mich runter, nichts wie weg.“ Vor dem Fenster rumpelte es, schnelle Schritte waren zu hören. Sie entfernten sich.

Ich sprang auf, um das Fenster zu schließen. Beinahe wäre ich hingeknallt, ich hatte ganz vergessen, dass ich immer noch die Stollenschuhe anhatte. Ich schaute durch das geschlossene Fenster, der Hinterhof lag verlassen da – von den Kerlen keine Spur. Nur mein rotgelber Fußball lag neben der kahlen Stelle im Rasen, die daher kam, dass Tom, Kiwi und ich die Wäschestangen als Torpfosten benutzten. Wenn hier irgendwo ein Hund war, dann hatte er sich verdammt gut versteckt. Ich musste Paps davon erzählen. Wir mussten den Hund suchen. Wir mussten ihn finden, bevor er diesen Idioten in die Hände fiel.

In diesem Augenblick platzte Paps in mein Zimmer, als hätte er meine Gedanken gelesen: „Mensch, Lou! Es ist schon viertel vor sieben.“ Wenn mein Vater Mensch, Lou sagte, dann war Schluss mit lustig. Dann gab es keine Gnade mehr.

„Na los, gib Gas, du Schnarchnase.“ Er klatschte zweimal in die Hände. Im Rausgehen drehte er sich noch mal um, zeigte auf meine Schuhe und sagte: „Nur noch drei Tage bis zum großen Spiel.“ Dabei drückte er beide Daumen.

„Paps …“, setzte ich an. Aber da war er schon wieder verschwunden. Vielleicht war es besser so. Wenn Paps von den beiden Männern erfuhr, dann würde er mir verbieten, nach dem Hund zu suchen. Das ist nichts für elfjährige Mädchen, würde er sagen. Paps kriegte schon zu viel, wenn ich nur auf einem Geländer balancierte. Ma war da ganz anders. Na ja, kein Wunder. Schließlich erlebte sie andauernd irgendwelche gefährlichen Dinge.

Nein, ich würde Paps lieber nichts erzählen. Ich würde diese Sache selbst in die Hand nehmen. Zusammen mit Tom und Kiwi.

Heute durfte ich auf keinen Fall den Bus verpassen. Ich musste den Jungs unbedingt von den beiden Kerlen erzählen. Sie würden mir helfen, den Hund zu finden, bevor die Männer ihn aufgespürt hatten. In Rekordzeit zog ich mich an, putzte schnell über fast alle Zähne, wuschelte mir mit einem Blick in den Spiegel über den Teil meines schwarzen Lockenkopfes, den ich mir nicht abrasiert hatte, und sauste in die Küche.

„Dein Schulbrot und einen Apfel habe ich in deine Tasche gepackt“, sagte Paps und nahm einen Schluck Kaffee. Dann deutete er auf die Müslischale. „Und jetzt iss. Die Zeit läuft.“

„Hm“, machte ich und fing an, das Müsli in meinen Mund zu schaufeln. Dabei fiel mein Blick auf die Postkarte, die am Marmeladenglas lehnte. Post von Mama! Ein tiefblaues Meer war darauf zu sehen, aus der Luft fotografiert, im Wasser lagen hunderte kleiner grüner Inseln. Philippines stand in geschwungener Schrift darunter. Eine der Inseln war angekreuzt. Auf der Rückseite stand: Liebe Lou, ich arbeite gerade auf der Insel mit dem Kreuz. In Gedanken bin ich bei Dir, Ma. Mehr nicht. In meiner Brust breitete sich eine seltsame Kälte aus.

Paps räusperte sich und warf über den Rand seiner Zeitung hinweg einen Blick auf die Uhr. Die Zeiger waren mittlerweile schon auf Viertel nach vorgerückt. Ich ließ das halbe Müsli stehen, schlüpfte in meine Stiefel, schnappte meinen Rucksack und rief: „Tschüss Paps!“

Im Hausflur roch es merkwürdig. Ein bisschen erinnerte es mich an unseren letzten Besuch im Zoo. Der Geruch schien aus der Wohnung von Herrn Ohlsen zu kommen. Ohlsen war ein komischer Kauz. Er trug immer schwarze Sachen und sagte so altmodische Sätze wie: Wünsche einen angenehmen Tag.

Was war das, wonach roch es hier? Ich wäre der Sache nur zu gern nachgegangen, aber ich musste den Bus erwischen. Also rannte ich den Flur entlang, stieß die Haustür auf und wollte in Richtung Haltestelle sprinten.

Doch vorm Haus standen zwei Männer und ließen mich nicht durch.

„Na, wen haben wir denn da?“, fragte der eine. Mein Bauch krampfte sich zusammen: Das war die hohe Stimme vom Hof! Sie passte allerdings so gar nicht zu dem feinen Anzug, dem blonden Bärtchen und der Glatze. Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, aber er packte mich am Arm und hielt mich fest.

„Lassen Sie mich los“, protestierte ich. „Ich verpasse meinen Bus.“

Der andere Mann trug eine löchrige Jeans und ein verwaschenes T-Shirt. Er sah aus, als wäre er so was wie der Gehilfe des Glatzkopfs. Oder vielleicht sein Fahrer. Sein Walrossschnurrbart passte perfekt zu seiner Walrossstimme.

„Ach Gott, das arme Kind verpasst den Bus“, brummte er und grinste fies. Kopfschüttelnd musterte er meine einseitig abrasierten Locken. „Und unter den Rasenmäher ist es gekommen.“ Dann schlenderte er zu dem roten Lieferwagen hinüber, der am Straßenrand parkte, lehnte sich an die Beifahrertür und verschränkte die Arme. Die Schiebetür stand offen, im Inneren erkannte ich einen Käfig. Zum Glück war er leer. Auf der Schiebetür stand in bunten Buchstaben: The Magic Dog Show, darunter war ein Zirkuszelt zu sehen und drei Hunde in rosa Röckchen, die eine Pyramide bildeten. Es sah stinklangweilig aus. Keine Frage, dieser Hundezirkus brauchte dringend eine neue Attraktion.

Der Glatzkopf hielt mich immer noch fest, sein stechender Blick bohrte sich in meine Augen. Mit seiner eiskalten Stimme fragte er: „Wo ist unser Hund?“